Bergwohlverleih | Arnica montana
Unter Phytotherapie versteht man die Vorbeugung und Behandlung von Befindensstörungen und Krankheiten durch hierfür geeignete Heilpflanzen bzw. Pflanzenteile wie Wurzel, Blatt, Blüte, Frucht oder Samen und deren Zubereitungen. Dabei handelt es sich in der Regel immer um Mehr- oder Vielstoffgemische, die den Grundanforderungen des Arzneimittelgesetzes an Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit genügen müssen. Grundvoraussetzung zum Verständnis der Phytotherapie ist das Erfassen der jeweils verwendeten Kombination von Heilpflanzenbestandteilen als stoffliche und strukturelle Gesamtkomposition in dem Sinne, dass die Gesamtheit der Wirkung einer Heilpflanze über die Summe der Effekte ihrer Einzelbestandteile hinaus geht. Hierfür gibt es auch andere Beispiele, wie u.a. musikalisch die Komposition einer Symphonie oder literarisch in Goethes Faust das sogenannte geistige Band, welches alles Lebendige zusammenhält. Daher zählen auch Anwendungen von isolierten Pflanzeninhaltsstoffen z.B. Atropin, Digoxin, Morphin) nicht zur eigentlichen Phytotherapie.
Hinsichtlich ihrer Wirkungsstärke unterscheidet man nach R.F. Weiss Mite-Phytotherapeutika, also Arzneipflanzen von milder Wirksamkeit und weitgehend frei von Nebenwirkungen (z.B. Kamille, Melisse, Weissdorn) von Forte-Phytotherapeutika, d.h. starken meist schnell wirkenden und oft giftigen Heilpflanzen (z.B. Eisenhut, Schlafmohn, Tollkirsche). Da Phytotherapeutika nicht frei von unerwünschten Nebenwirkungen sind, welche von Allergien (z.B. Arnikatinktur) und Photosensibilisierungen (z.B. Johanniskraut) über Organschädigungen (Leber- und Nierenversagen) bis hin zu krebserregenden Effekten reichen, setzt deren Verordnung entsprechende Erfahrung und Kenntnis des arzneilichen Hintergrundes voraus. Auch die Grenzen der Phytotherapie im Rahmen eines ganzheitlichen internistisch-komplementärmedizinischen Therapieansatzes sind dabei zu berücksichtigen (s.u.).
Weissdorn | Crataegus
Beinwell | Symphytum
Der dokumentierte Beginn der Pflanzenheilkunde reicht u.a. ins dritte Jahrtausend v. Chr. zurück, als priesterliche Ärzte zahllosen geschundenen Sklaven Knoblauch, Zwiebeln und Rettich verabreichten, um für die Errichtung der Cheopspyramide gesund und bei Kräften zu bleiben (berichtet von Herodot). Auch in anderen, oft jahrtausendealten Medizinsystemen wie der chinesischen, tibetanischen oder indisch-ayurvedischen Medizin sowie der Medizin sogenannter Naturvölker unterschiedlicher Länder findet sich die Therapie mit Pflanzenheilmitteln. Diese Kenntnisse mündeten zumindest teilweise in die Kräuter- bzw. Klostermedizin früher Jahrhunderte, die von den bekanntesten Vertretern wie Hippokrates (460 - 377 v. Chr.), Galenos (129 - 199 n. Chr.), Avicenna (980 - 1037 n. Chr.), Paracelsus (1493 - 1541) und die "Botanikärzte" A. Lonicerus, H. Bock, A. Matthiolus und L. Fuchs (14. und 15. Jh.) schriftlich niedergelegt und praktisch weiterentwickelt wurde. Auch in neuerer Zeit haben berühmte Ärzte wie Hufeland oder Carus ebenso wie Pfarrer Kneipp Heilpflanzen bzw. -kräuter verwendet. Die vornaturwissenschaftliche "Kräuter-Medizin" fand durch den französischen Arzt Henri Leclerc (1870 - 1955) ihre Fortsetzung als naturwissenschaftlich orientierte Phytotherapie. Letztere gehört zwar arzneimittelrechtlich zu den "besonderen Therapierichtungen", ist aber keine "Alternativ-Medizin", sondern Teil der heutigen naturwissenschaftlich orientierten Schulmedizin.
Das Anwendungsspektrum der Phytotherapie ist sehr breit und umfasst Befindlichkeitsstörungen (z.B. Schnupfen, Reizmagen, Reizdarm etc.), leichte bis mittelschwere Erkrankungen (z.B. Bronchitis, Gastritis, Prostatahyperplasie etc.), chronische und degenerative Erkrankungen (z.B. Allergien, Rheuma, Arthrosen, Durchblutungsstörungen etc.) ebenso wie akute Verletzungen (z.B. Prellungen, Frakturen, Schnittwunden etc.). Bei gravierenden Erkrankungen wie schweren Infektionskrankheiten oder Krebs können Phytotherapeutika allenfalls unterstützend zu den chemisch-synthetischen Arzneimitteln verabreicht werden. In der Notfallmedizin sind sie dagegen nicht angezeigt (s.o.).
Im Zentrum für Integrative Medizin stützen wir uns dabei auf ca. 50 Arzneipflanzen in Form von sogenannten rationalen Phytopharmaka, für die ein positiver Wirksamkeitsnachweis nach naturwissenschaftlichen Kriterien (Monographie) vorliegt. Beispiele dafür sind die Anwendung von Teufelskralle, Weidenrinde, Brennessel, Weihrauch, pflanzlichen Enzymen oder Beinwell bei rheumatologischen Krankheitsbildern und degenerativen Gelenkerkrankungen, Echinacea, Thuja oder Mistel bei Entzündungen sowie bestimmten Immunstörungen und Tumorerkrankungen, Johanniskraut bei leichten und mittelschweren Depressionen, Passionsblumenkraut oder Melisse bei Schlafstörungen oder Goldrute, Meerrettichwurzel, Kapuzinerkresse, Kürbissamen und Sägepalmenfrüchte bei Erkrankungen der Harnwege und der Prostata. Darüber hinaus werden aber auch zahlreiche weitere funktionelle Störungen und Erkrankungen aus dem gesamten Bereich der Inneren Medizin sowie wichtigen angrenzenden Fachgebieten (z.B. Neurologie, Orthopädie, Gynäkologie, Urologie etc.) von uns im Sinne eines ganzheitlichen internistisch-komplementärmedizinischen Therapieansatzes auch phytotherapeutisch mitbehandelt (z.B. Arnica bei Verletzungen und Ginkgo biloba bei Durchblutungsstörungen).